Zitat von angelheartÖffentliche Hand: meinst Du die Stadtwerke von Gemeinten, Städten?
Energie Riesen, wie RWE waren doch nie verstaatlicht. Oder ist mir da was Abhanden gekommen?
... ich bin diesbezüglich auch kein Spezialist, aber so viel ich weiß, wurde die RWE (um bei diesem Beispiel zu bleiben) Anfang des letzten Jahrhunderts zwar mit privaten Mitteln gegründet, aber schon um 1902 in ein so genanntes "gemischtwirtschaftliches Unternehmen" gewandelt; um die Expansion etwa durch Straßenbahn-Netze usw. zu gewährleisten, wurden nicht nur Verträge mit den Kommunen fällig; die Kommunen wie auch der Staat wurden in Folge zu Anteilseignern mit "Vorzugsrecht". Von einem komplett staatlichen Unternehmen kann also nicht die Rede sein - dennoch ist der Konzern überwiegend durch steuerliche Finanzierung zu einem großen Konzern herangewachsen, wobei mit gutem Recht die Kommunen wie der Staat ein Vorzugsrecht hatten, was insbesondere in den letzten Jahrzehnten sich mehr und mehr aufzulösen begann; 2000 fusionierte die RWE mit der VEW zu einem Giganten, wobei gleichzeitig die Vorzugsrechte der Kommunen erworben wurden - in einer Zeit, in der die Politik sich gar nicht mehr scheute, öffentliches Eigentum zu verscherbeln und zu privatisieren.
Dass zu den mittelfristigen Zielen der Linken auch die Verstaatlichung der Energieversorgung gehört, ergibt sich aus der Tatsache, dass wir zur Zeit das genaue Gegenteil erleben: die Loslösung sozialer, ökologischer und volkswirtschaftlicher Verantwortung durch Privatisierung, was dazu geführt hat, dass solche Konzerne im Grunde machen können was sie wollen und den wenigen Politikern, die sich noch trauen aufzumucken, regelmäßig die lange Nase zeigen - das ist eine Entwicklung, die sich in's Extrem fortsetzen wird, und solche Konzerne schon heute nicht nur den kleinen Haushalten sondern auch den Unternehmen die Preise diktiert, die Entwicklung erneuerbarer Energien blockiert, unnötige Kohlekraftwerke baut, weil es dabei längst auch um den Export von Energie und nicht mehr nur um den Bedarf geht, die bereits beschlossene Laufzeitbegrenzung der Atomkraftwerke auszuhebeln versucht, weil sich mit den abgeschriebenen Alt-AKW's prächtig Profite anhäufen lassen usw. usw. .... unklar ist dabei nur, wie und wo der Atommüll entsorgt werden soll - klar ist nur, dass dieses Problem auf den "öffentlichen" Schultern abgeladen wird, womit wir wieder bei den öffentlichen Haushalten sind und zwar auch den der folgenden Generationen .....
"Verstaatlichung" macht oberflächlich betrachtet, einen sperrigen und extremen Eindruck - aber wenn man sich die Realität der Energieversorgung, die ein öffentliches Interesse ist anschaut - eben auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht, sehen wir ein anderes, dem öffentlichen Interesse entgegen wirkendes Extrem, dem es gilt, Einhalt zu gebieten.
Ich glaube, man kann die Menschen heute nicht mehr damit verarschen, wenn die Politik auf "freiwillige Selbstkontrolle" der Wirtschafts- und Finanzgiganten setzt, wenn man tagtäglich sieht, wie die Politik von der Wirtschaft vor sich her getrieben und vorgeführt wird; bei der "Verstaatlichung" der Kosten durch verlorengegangenes Pokerspiel und Verstaatlichung von Pleite-Banken sind wir nicht so zimperlich - das wird abgetan wie "höhere Gewalt". Das Pokerspiel mit dem Feuer geht unterdessen ungehindert weiter, wenn jetzt beispielsweise die Europäische Zentralbank (EZB) faule Staatsanleihen aus schwächelnden Ländern der Euro-Zone aufkauft und somit die Inflation geradezu provoziert, dann werden die Grashalme sichtbar, an die man sich mittlerweile klammert, und die ganze Ohnmacht wird klar, mit der die Politik vor den Ergebnissen der von ihnen selbst geförderten marktradikalen Gangart steht.
Ich selbst bin parteilos - also auch kein Mitglied bei den Linken - aber ich glaube, man sollte sich etwas locker machen, wenn's um Forderungen wie die Verstaatlichung von Konzernen geht, von denen quasi unsere Existenz abhängt; ich lasse mich von solchen "Begriffen" nicht abschrecken. Abschreckend ist für mich, dass wir mittlerweile von einem fast undurchschaubaren System abhängen, das niemand mehr unter Kontrolle zu bekommen scheint - ein System, bei dem nur noch auf Zahlen geschielt und spekuliert wird und das nichts mehr mit Menschlichkeit zu tun hat. Abschreckend ist angesichts dieser Tatsache auch, dass die Altparteien noch nicht mal über mittelfristige Ziele verfügen, geschweige denn über irgendeinen Hauch von Zukunftsvision, die ein gesundes soziales Miteinander unter ökologisch gesunden Rahmenbedingungen beinhaltet. Niemand kann sagen, wie's in 10 - 20 Jahren um das "Wachstum" bestellt ist - aber jeder weiß, dass das Perpetuum Mobile auch dann noch nicht erfunden sein wird. Man sollte endlich damit aufhören, auf Illusionen zu spekulieren, statt jenen Weltfremdheit vorzuwerfen, die sich trauen gegen den Strom zu schwimmen.