Was denn sonst ist eine Beschneidung auf nur positive Reaktionen?
Ehrlich gesagt ist dein Beharren darauf, dass nur positive Reaktionen mit Zensur gleichzusetzen sei, ein Schlag ins Gesicht all derer, die tatsächlich Zensur erleben. Du kannst dich glücklich schätzen, dass du überhaupt nicht weißt, wie sich Zensur anfühlt. Dieses Glück haben sehr viele Menschen nicht. Ich bin jedenfalls froh, dieses Gefühl nicht zu kennen. Zumindest weiß ich aber, dass das mal ganz sicher keine Zensur ist.
Ich bin auch etwas überrascht über den Zeitpunkt deiner Aussage, nachdem ich ja quasi direkt davor eine Begründung dafür gegeben hatte, die mit Zensur nicht das Geringste zu tun hat. Ich betreibe und moderiere jetzt schon seit über 20 Jahren verschiedene Communitys aus unterschiedlichen Bereichen. Dazu kommen natürlich auch noch meine Erfahrungen als Nutzer sowie stiller Beobachter auf anderen Seiten seit mindestens genauso langer Zeit. In dieser Zeit habe ich viel gesehen, was den Umgang mit Reaktionssystemen betrifft, und das aus allen Perspektiven. Wenn ich schreibe, dass es einen erheblichen Unterschied darin gibt, wie sich positive und negative Reaktionen auswirken, kommt das nicht von ungefähr, sondern entspricht meiner Erfahrung, die sich im Thunderbird-Forum ganz offensichtlich auch wieder bestätigt hat.
Reaktionen lösen etwas aus. Und das geschieht meist im Unterbewussten. Deswegen ist es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, ob und wie man das einsetzen möchte. Wenn etwas ausgelöst wird, soll es doch bitte etwas Motivierendes sein. Positive Reaktionen können die Motivation geben, noch mehr zu helfen, sie können einen positiven Umgang miteinander fördern und damit letztlich die Gemeinschaft stärken. Das lässt sich dann auch noch mit der Trophäen-Funktion als zusätzlichen Anreiz verbinden.
Negative Gefühle wollen wir hingegen keine auslösen. Das widerspricht meinem Verständnis einer sozialen Plattform, als welche ich grundsätzlich jedes Forum betrachte. Deswegen soll es die „Hürde“ geben, dass man nicht einfach per Knopfdruck einen Beitrag abwerten kann, sondern dafür etwas schreiben muss. Das lässt die eine oder andere Reaktion von Anfang an gar nicht erst aufkommen, und wer wirklich etwas mitzuteilen hat, wird das so oder so tun. Ist eine Reaktion unangemessen, lässt sich die Situation bei einem geschriebenen Beitrag außerdem moderieren, das geht mit einer geklickten Reaktion nicht wirklich.
Am Ende geht es wie gesagt vor allem auch um eine Form, um Danke sagen zu können. Ein Danke oder eine Zustimmung zu begründen, wäre häufig relativ sinnbefreit. Dafür bieten sich Reaktionen perfekt an. Eine Ablehnung hingegen sollte immer begründet sein, weil das eine abweichende Sicht impliziert. Und da gehört es schon zum guten Ton, dass man nicht einfach nur „Nö“ sagt, sondern „Nö, weil ich denke, dass“.
Zensur findet immer auf einer inhaltlichen Ebene und durch eine höhere Instanz statt und würde bedeuten, dass bestimmte Aussagen einfach gelöscht würden. Das kann ein Reaktionen-System überhaupt nicht leisten. Selbst wenn das System nur positive Reaktionen anbietet, würde das halt höchstens von jemandem mit anderer Meinung nicht genutzt werden. Die inhaltliche Ebene wird dabei durch den Betreiber überhaupt nicht berührt.
Es geht ja nicht darum, etwas wegzunehmen, sondern um eine zusätzliche Möglichkeit der Reaktion.
Vollkommen richtig. Wenn jemand weiterhin „Danke“ schreibt oder nur einen Daumen nach oben setzt und sonst gar nichts, würde ich das bei Existenz eines solchen Systems nicht löschen, auch wenn's vielleicht etwas unnötig ist. Am Ende hätte jeder die Wahl, ob und wie er oder sie reagiert, sei es durch eine solche Funktion oder durch einen Beitrag.