In memoriam: Buch, oder?

  • Irgendwann passieren immer mal Dinge, von denen man zeitnah nicht weiß, wie folgenreich sie sind.

    Menschen, die Mitte des 15. Jahrhunderts erlebten, wie Gutenberg sein komplettes, maschinenbetriebenes Drucksystem mit beweglichen metallenen Lettern in Betrieb nahm, wussten damals wohl nicht, daß dies eine Revolution war, welche die Grundlage der Wissensgesellschaft legte.

    Wenn Generationen nach uns zurückblicken auf den Lebenszyklus des Produktes "Buch", könnte es sein, daß sie den 13. März 2012 zumindest als charakteristich für den Umbruch, in dem wir leben, markieren:

    Die Encyclopaedia Britannica gibt es nicht mehr als Buch.

    Siehe auch Britannica Blog

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Ja, es gibt gewisse Entwicklungen, die das artikulierte Wort festhalten sollen, wie Höhle, Stele, Papyrus, Pergament und Papier.

    Freilich wird kein Mensch grundlos irgendwelche archaische Methoden wählen. Jedoch wird hier die Information von einem dedizierten physischen Träger getrennt. Man verlagert also die Verantwortlichkeit über die Trägerschaft des Mediums auf den Benutzer, denn irgendein Medium zur Betrachtung benötigt er.

    Die Beschneidung der Freiheitsgrade ist offen sichtlich.

  • Bücher (in Form bedruckter Seiten) waren über Jahrhunderte die Träger von Wissen, Informationen, und Belanglosem.
    Aber nicht weil sie das ideale Medium dazu waren, sondern weil es kein (besseren) Alternativen gab.

    Durch die Digitalisierung und Vernetzung ist eine solche Alternative aber nun da.
    Informationen sind nun nicht mehr getrennt, sondern können Zusammengeführt werden.

    Das geht nicht von heute auf Morgen, aber doch ziemlich zügig, offensichtlich leuchten die nun zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ein.
    Ein "Umbruch" ist das für mich nicht, eher ein "Ausbruch" aus technischen Einschränkungen.

    Wo hier eine "...Beschneidung der Freiheitsgrade..." liegen soll erschließt sich mir nicht, die Möglichkeit der Wahl des Mediums wird von dir als "...Verantwortlichkeit..." mit deutlich negativem Klang genannt.
    Vor 20 Jahren lag der maximale "Freiheitsgrad" mit etwas Glück bei der Wahl zwischen Soft- und Hardcover.

    Durch die Vernetzung ist aber eine endgültige Entscheidung hier gar nicht nötig.
    Die Information ist immer vorhanden, und muss persönlich nicht vorgehalten werden.
    Jede Situation hat ihr eigenes, geeignetes Medium.

    Bücher sind ebenfalls in bestimmten Situationen ein geeignetes Medium. Dort werden sie auch immer anzutreffen sein.

  • Die Beschneidung der Freiheitsgrade ist mir wohl einleuchtend. Eine Technologie (Bereitstellen von Daten auf maschinell bedrucktem Medium) , die 500 Jahre alt ist, läuft aus und wird ersetzt. Mann muss schon in großen Abständen denken, dies hier wird es wahrscheinlich im nächsten Jahrhundert außer im Museum nicht mehr geben:

    Roman
    Kinderbuch
    Bilderbuch
    Gedichtband
    Liederbuch
    Fachbuch
    Lehrbuch
    Schulbuch
    Handbuch
    Wörterbuch
    Lexikon
    Tagebuch
    Rechnungsbuch, Kassenbuch
    Logbuch
    Laborbuch
    Manuskript
    Drehbuch
    Künstlerbuch

    (Aufstellung kopiert aus Wikipedia)

    Für alles wird jetzt eine all-in-one-Hardware-Lösung in verschiedenen Grössen angeboten. Menschen in 100 Jahren werden das nicht als Verarmung ansehen. Ich sehe für mich die Übergangszeit als Bereicherung, ich kann noch wählen zwischen Urlaubsfotos auf dem PC anschauen oder als Fotobuch bestellen, aber ich glaub nicht, daß für Menschen in 100 Jahren diese Wahlfreiheit noch besteht.

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Zitat von Boersenfeger

    .. und dann kam der Zeitpunkt, als es keinen Strom mehr gab... :)


    Ach, bevor das passiert gibt es keine Handys mehr, hat sich auch vorgestern herausgestellt. Ist schon ein geschichtsträchtiges Datum, dieser 13. März 2012 :twisted:

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Zitat von Boersenfeger

    Ich könnte auch ohne Handy... aber nicht ohne Bücherblättern... :)


    Das Englische Wort "to browse" wird hier in den Niederlanden met "bladeren" (blättern) übersetzt.
    Also wo ist das Problem? :lol:

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • .. kein Problem, ich wollte nur zum Ausdruck bringen, das für mich kein Kindle ohne ähnliches Spielzeug in Frage kommt, da ich gerne händisch blättere, sowohl in Zeitungen als auch Büchern.

  • Noch werden ja die allermeisten "Bücher" gedruckt, und erst ein Teil davon ist digital verfügbar.
    Ausnahmen sind wohl spezielle Formate, die sich eh an ein entsprechendes Publikum richten, wie z.B Handy-Fortsetzungsgeschichten, oder technische Handbücher.
    Und das wird wohl auch noch eine ganze Weile so bleiben.

    Die Einstellung der gedruckten Encyclopaedia Britannica als Start einer Entwicklung zu bezeichnen, halte ich für falsch, da hier ein Sonderfall vorliegt.

    Im Gegensatz zu einer erzählten Geschichte, die (noch!) in der Regel abgeschlossen ist, ändern sich Teile einer Enzyklopädie, und es müss(t)en ständig neue Artikel hinzugefügt werden. Die letzte Ausgabe hatte 33 Bände. Um also eine unmäßige Größe zu verhindern, müssen wohl oder übel Einträge weggelassen werden. Wer kauft eine solch teure Sammlung, nur damit evtl ein Artikel den man Nachschlagen will nicht vorhanden ist? Bleibt die Funktion als Statussymbol. Da wiederum tun mir die Autoren leid. Da könnte man auch leere Papphülsen ins Regal stellen. Zusätzlich war die Einstellung aber auch finanziell begründet.

    Aber so wie hier etwas dynamisches (Inhalt) auf etwas Statisches (Druck) trifft, so kann sich diese Entwicklung in Zukunft auch auf andere Bereiche ausweiten.

    Wie ich oben schon erwähnte, sind klassische Buchgeschichten statische, abgeschlossene, und unveränderliche Inhalte. Das ist dem gedruckten Buch geschuldet.

    Ich bin sehr zuversichtlich das es hier in nicht allzu ferner Zukunft entsprechende Entwicklungen geben wird, das auch hier Inhalte dynamisch werden können. Wenn es erst mal entsprechende technische Möglichkeiten gibt, werden auch Inhalte folgen.

    Dann, und erst dann, wenn es nicht mehr möglich ist eine Geschichte in einem gedruckten Buch zu erzählen, wird tatsächlich ein Wendepunkt erreicht sein.

  • Auf kurz oder lang werden wir uns ohnehin damit anfreunden müssen, dass Papier und insbesondere Holz und Trinkwasser als Grundstoff nicht in unbegrenzten Mengen zur Verfügung steht. Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem für Otto-Normal-Leser das digitale Schrifttum der Standard sein wird, und gedruckte Texte/Informationen nur noch als ganz seltene Ausnahme in Umlauf gelangen.

    Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Monumentalwerk wie die Encyclopaedia Britannica als Druckwerk verschwindet und nur noch in digitaler Form publiziert wird.

    Das Werk war schon immer ein Anachronismus und konnte allein schon aufgrund seines Umfangs nie aktuell sein. Noch während die letzten Seiten gedruckt wurden, hatte die Geschichte und das fortschreitende Zeitgeschehen die zuerst gedruckten Seiten bereits überholt. Zwangsläufig wurden damit alte Kamellen in lexikaler Form manifestiert. Wenn man also in die Vergangenheit schauen wollte, war man gut bedient.

    Angesichts des Internets und der unschätzbaren Möglichkeit jederzeit brandaktuelle Informationen (derzeit noch kostenlos) abrufen zu können, kann man auf ein paar Zentner bedruckten Papiers gut verzichten.

  • Ein anderes Beispiel: Schulbücher.

    Neue Auflagen von Schulbüchern in den Niederlanden werden von den Herausgebern alle 5 Jahre angeboten. Der Wunsch der Schüler und Eltern, auch digital zu arbeiten, hat in den letzten 10 Jahren dafür gesorgt, daß alle Lehrinhalte auch über Internet angeboten werden. In der Zwischenzeit sind die Stückpreise für das gedruckte Buch durch geringere Auflagen gestiegen, während die Kosten für eine Schülerlizenz zur Nutzung des digitalen Angebots gesunken sind. Alle Lehrbücher sind inzwischen als *.pdf (gegen Lizenzgebühr) zu downloaden.

    Vom Schulranzen zum Ipad ist es hier nicht mehr weit, Schulbücher werden einfach zu teuer. Und die Kids finden einen Ipad mit allen Büchern drauf besser als für 8 Fächer irgendwo 16 Bücher zu schleppen.

    "Krieg ist ein zu ernstes Geschäft, als daß man ihn den Generälen überlassen dürfte." Georges B. Clemenceau (1841-1929), Französischer Journalist und Politiker/Ministerpäsident

  • Ach dieses ganze Gerede vom Abgesang auf das Buch halte ich für ziemlich überzogen. Es wird immer Menschen geben, die Bücher lesen wollen und sich diese kaufen. Ganz aussterben wird das Buch nie!